Runen Fragetechniken

Das Befragen von Orakeln, wie überhaupt jede divinatorische Frage, verlangt nach einer bestimmten Fragetechnik. Die Runen, wie auch das Unterbewusstsein, drücken sich über eine Symbolsprache aus, und diese besteht aus Bildern. Daher können sie (Runen und Unterbewußtsein) auch nur Fragen beantworten, die ebenfalls aus Bildern bestehen und auf die genauso eine aus Bildern bestehende Antwort möglich ist. „Ja“ oder „Nein“ sind keine Bilder, daher kann eine Divination eine Frage, welche nur ein „Ja“ oder „Nein“ als Antwort zulässt, nicht richtig beantworten.

Die Frage „Wird mein Vorhaben gelingen?“ ist also unzulässig. Besser wäre „Wie wird mein Vorhaben verlaufen?“ (nicht „gelingen“, weil das Gelingen so als Suggestivfrage vorausgesetzt würde). Diese Art der Fragestellung ist jedoch noch zu zukunftsorientiert, und die Antwort wäre sicher schwierig zu verstehen oder unklar. Im Sinne einer Gegenwartsanalyse wäre deshalb die beste Frage: „Wie steht es um mein Vorhaben?“ Auch mit Bildern kann man zu sehr eindeutigen Aussagen gelangen, sofern man erst die richtige Technik erlernt hat – das verlangt nur ein wenig Übung.

Eine große, aber gefährliche Versuchung ist es, Suggestivfragen zu stellen, die ihre eigene Antwort bereits vorwegnehmen. Beispiele wären „Wann werde ich im Lotto gewinnen?“ oder „Wann werde ich einen Liebespartner finden?“ So formuliert, behauptet bereits die Frage, daß das gewünschte Ereignis tatsächlich eintreffen wird, und es geht nur noch um den „richtigen“ Zeitpunkt – das aber ist eine Selbsttäuschung.

Damit nimmt man dem Runenorakel nämlich jede Chance, korrigierend klarmachen zu können, daß das Gewünschte möglicherweise überhaupt nicht bevorsteht und daß man seine Energien lieber auf etwas Konstruktiveres, Erfolgversprechenderes richten sollte.

Stattdessen könnte man aber fragen „Wie wird es, wenn ich morgen Lotto spiele?“ oder „Wie stehen meine Chancen, einen Liebespartner zu bekommen?“ oder, noch besser, „Warum habe ich Probleme, einen Liebespartner zu finden?“

Auch Fragen wie „Was kann ich tun, um zu verhindern, daß…“ wäre eine solche Suggestivfrage, da sie sowohl den drohenden Eintritt einer Sache als auch dessen erfolgreiche Verhinderung als Tatsachen voraussetzt.

Man sollte ebenfalls Fragen vermeiden, die allzu vage sind. „Wie werde ich glücklich?“ ist zum Beispiel viel zu unscharf, um eindeutige, präzise Antworten zu erlauben. Meistens zeigt eine solche Fragestellung, daß der Fragende selbst nicht so genau weiß, worum es ihm eigentlich geht. Man sollte lieber erst für sich feststellen, was „Glück“ für einen konkret bedeutet und Schlagworte und Klischees vermeiden.

Andererseits hat es auch keinen Zweck, überpräzisierte Fragen zu stellen. „Was wird am 18. April um 13.52 in der Hauptstraße 34 im 2. Stock passieren?“ klingt zwar sehr konkret, führt aber meistens zu nichts. Die Runen können nur leicht unscharfe Fragen beantworten, deren Antwort das Unterbewußtsein auch möglicherweise kennen kann. „Wer hat gestern bei mir zu Hause eingebrochen?“ dürfte bei den Runen kaum jemals eine befriedigende Antwort ergeben.

Es gibt eine Vielzahl von Menschen, die nicht erkennen wollen, daß auch Orakel nicht allwissend sind. Die Runen sind zwar mächtig, aber auch nicht allmächtig. Deshalb sollte man sich bei Orakelfragen auf seinen persönlichen Erfahrungsbereich, sein Bezugssystem, konzentrieren, denn auch nur auf dieses erstreckt sich auch das Wissen des Unterbewußtseins. Wer nichts vom Weltbörsengeschehen versteht, wird auf einschlägige Fragen meist nur unsinnige Antworten vom Orakel erhalten. Anders ein Börsenmakler, dessen Unbewußtes durch seine ständige Beschäftigung mit dem Thema viel verwurzelter darin ist.

Fragen, die den eigenen geistigen Wirkungs- und Erfahrungshorizont allzu weit übersteigen, sollte man möglichst nicht stellen. Das gilt übrigens auch für Fragen, die den gängigen Zeitrahmen sprengen. „Wo werde ich in 25 Jahren spirituell stehen?“ oder „Wie sieht es politisch in 10 Jahren im Land X aus?“ wird sicher keine vernünftige Antwort des Orakels ergeben. Das alte Sprichwort vom Schuster, der bei seinem Leisten bleiben soll, gilt sinngemäß auch für das Runenorakel.

Gern versucht gerade der Anfänger häufig, eine bestimmte Orakelantwort zu erzwingen, indem er es nach einer unbefriedigenden Antwort einfach noch einmal dasselbe fragt. Auch sogenannte Skeptiker gefallen sich gern in der Pose des nie zu Überzeugenden und versuchen, das Orakel dadurch zu „entlarven“, daß sie sofort nach der ersten Frage diese wiederholen und damit rechnen, daß sie nun eine völlig andere Antwort erhalten. Obwohl es oft genug vorkommt, daß das Runenorakel ihnen dann tatsächlich noch einmal dieselbe Antwort gibt, zum Beispiel also dieselbe Rune geworfen wird, sollte dies eher als ernste Warnung denn als Belustigung aufgefasst werden.

Jedes Orakel (beziehungsweise das eigene Unterbewußtsein) fordert vom Befrager zu Recht einen gewissen Respekt. Wird ihm dieser verweigert, gibt es in Zukunft nur noch ungenaue oder falsche Antworten. Das Argument, daß eine andere Rune als gegebene Antwort auf dieselbe Frage den Wert des Orakels widerlegen würde, geht am Kern der Sache vorbei. Denn tatsächlich wird niemals zweimal genau dieselbe Frage gestellt. Selbst wenn der Wortlaut der gleiche ist, ist doch die Situation schon wieder eine andere. Bis zum zweiten Mal hat sich die Erde ein Stück weitergedreht, die Zeit hat sich verändert, inzwischen sind wieder einige Körperzellen im Fragenden abgestorben, er atmet nicht mehr dieselbe Luft – jeder Augenblick ist einmalig und unwiederholbar. So sollte man die Antwort der Runen lieber akzeptieren, versuchen, sie richtig zu deuten und das Beste aus der Aussage zu machen.

Selbstverständlich kann man Fragen, auf die man nur ungenaue oder unverständliche Antworten erhalten hat, genauer umreißen, beziehungsweise sich mit mehreren Einzelfragen nach verschiedenen Teilbereichen erkundigen.

Zu beachten ist, daß eine Orakelantwort lediglich eine Trendanalyse ist und nicht etwa ein unabwendbarer Schicksalsspruch. Mancher missbraucht die Orakel dazu, seine geheimen und weniger geheimen Wünsche und Ängste in sie hineinzuprojizieren. Wie jede Runenarbeit will die Orakelbefragung freimachen, Entscheidungshilfe bieten und Zusatzinformationen zur Verfügung stellen. Auf keinen Fall will sie den Menschen in Angst und Schrecken versetzen, bis er sich mutlos seinem vermeintlichen „Schicksal“ hingibt.

Das Runenorakel ist vielmehr eine Chance, Einflussfaktoren zu erkennen, die sonst vielleicht verborgen geblieben wären, um mit Hilfe diesen Wissens zu neuen, brauchbaren Entscheidungen zu kommen. Wenn man diese Ratschläge beherzigt, wird man sich einige unnötige Enttäuschungen ersparen und dafür in den vollen Genuss des Runenorakels gelangen.