Verschlusssache Jesus?

Über die Qumran-Rollen, falsche Behauptungen, deren Urheber und die Hintergründe: Jesus und die Verwandlung der Materie

Eine kritische Analyse von Armin Risi

Weil die Person Jesu als „Christus“ (griechische Übersetzung des hebräischen Wortes Masiha, „Messias“) eine zentrale Rolle in der Transformation der Erde innehat, ist es nicht verwunderlich, dass gerade diese Person von verschiedener Seite angegriffen und unglaubwürdig gemacht wird, einerseits durch Verabsolutierungen und institutionelle Vereinnahmungen, andererseits durch Profanisierung und Entspiritualisierung (= materalistische Umdeutung). Letzteres ist das Thema der vorliegenden Ausführungen. Sie entstanden während der Arbeit für das Buch Machtwechsel auf der Erde, wurden dann aber, weil sie den Rahmen gesprengt hätten, nicht in das Buch aufgenommen.

Was steht in den Qumran-Rollen wirklich?

Die Texte des jüdischen Essenerordens, die in den Qumran-Höhlen gefunden wurden, haben viele Entsprechungen im Alten Testament. Die Namen, die in diesen Qumran-Schriften erwähnt werden, gehören allesamt zu Personen des zweiten und ersten Jahrhunderts vor Christus, und die historischen Ereignisse, die aus den Fragmenten herausgelesen werden konnten, passen genau auf bekannte Ereignisse aus ebenjener Zeit vor Christus. Auf der Grundlage der Qumran-Rollen wurde zwar eine gewaltige Seifenblase von Spekulationen um Jesus, Jakobus und Paulus in die Luft gesetzt, doch werden diese Namen in den Rollen nicht ein einziges Mal erwähnt, auch der Name von Johannes dem Täufer nicht und ebensowenig der Name des Herodes, obwohl Prof. Eisenmann behauptet, es gebe deutliche „antiherodianische“ Züge in den Qumran-Texten. Warum diese Namen nicht erwähnt werden (im Gegensatz zu anderen Namen, die deutlich erwähnt sind), ist leicht zu erkennen: weil diese Texte aus einer früheren Zeit stammen! Die Qumran-Rollen sagen nichts über Jesus, Jakobus und Paulus aus. Damit erweist sich die „Wahrheit über das frühe Christentum“ im Buch Verschlußsache Jesus als Unwahrheit, möglicherweise sogar als bewußte Verfälschung, denn die Widerlegungen sind wahrhaftig nicht schwierig zu finden und längst zugänglich …

Die Jesus-Paulus-Spekulationen beruhen auf wenigen Textfragmenten. Alle anderen geben diesbezüglich überhaupt nichts her, genauso wie diese wenigen Textfragmente auch, denn sie beschreiben eben nicht Jesus und Paulus.

In diesen wenigen Fragmenten wird ein „Lehrer der Gerechtigkeit“ erwähnt, der im Konflikt mit einem „gottlosen Lehrer“ steht. Die Textfragmente enthalten genau diese Begriffe, jedoch keine Namen. Praktisch alle Philologen und Qumran-Experten sind sich einig, daß sich diese Texte auf die Gründung des Essenerordens beziehen. Diese hatte stattgefunden, als in Jerusalem der umstrittene König und Hohepriester Jonatan (152–143 v. Chr.) an der Macht war. Der Gründer der essenischen Gemeinschaft wurde „Lehre der Gerechtigkeit“ genannt, ebenso seine Nachfolger. Diese Gründung und Abspaltung führte zu einem offenen Konflikt mit dem Priesterkönig Jonatan. Dieser nahm jedoch ein unrühmliches Ende, was für die Essener eine symbolische Bedeutung hatte: Gott hatte ihren Gegner, den „gottlosen Priester“, drastisch bestraft.

Die eindeutigste Textstelle, auf die sich auch die gesamte Jesus-Paulus-Spekulation beruft, stammt aus der vierten Höhle und trägt die Katalognummer 4QMMT. Darin heißt es in bezug auf Psalm 37: „Der Gottlose sucht den Gerechten zu töten.“ Dieser Qumran-Text erklärt, mit dem Gottlosen sei der gottlose Priester aus Jerusalem gemeint, „der ihn [den Lehrer der Gerechtigkeit] zu töten trachtete wegen (des Briefes) und des Gesetzes, das er [der Lehrer der Gerechtigkeit] ihm [dem gottlosen Priester] gesandt hatte. … Aber Gott vergalt es ihm, indem er ihn [den gottlosen Priester] in die Hände der gewalttätigen Heiden gab, um das Gericht an ihm zu vollziehen.“

Tatsächlich fiel der „Gottlose“, der Hohepriester Jonatan, in die Hände der gewalttätigen Heiden: Er wurde von den Syrern in eine Falle gelockt und umgebracht. Diese historische Tatsache wird auch im Alten Testament (1. Makkabäer 12.39–53) beschrieben und entspricht genau den Umständen, die im genannten Qumran-Fragment erwähnt werden.

Die beiden erwähnten Dokumente – der Brief und das Gesetz –, die der Lehrer der Gerechtigkeit aus Qumran an den Hohepriester in Jerusalem gesandt hatte und die diesen erzürnten, weil der neue Qumran-Lehrer ihm darin Vorschriften machen wollte, lagen in derselben Höhle, der Höhle Nr. 4. Das eine Dokument ist der sogenannte „Brief des Lehrers der Gerechtigkeit“, ein längeres, unvollständiges, da in mehrere Fragmente zerfallenes Dokument. Der Absender, dessen Namen auf den Fragmenten nicht erscheint, wird mit dem „Lehrer der Gerechtigkeit“, d. h. mit dem Leiter der Qumran-Gemeinde, gleichgesetzt. Dieser Brief wendet sich in der Wir-Form an die Empfänger, die Priester im Jerusalemer Tempel. Der Lehrer mahnt die Jerusalem-Priester zur strikten Einhaltung der Reinheits- und Selektionsvorschriften. Insbesondere mahnt er, der Zutritt zum Tempel sei „nur den Israeliten, und zwar den rituell reinen und leiblich intakten Menschen gestattet: Fremde, Moabiter und Ammoniter, aber auch Behinderte wie Blinde, Taube oder Invalide seien fernzuhalten“. Auch wird in diesem Brief gesagt: „Wir haben uns von der Masse des Volkes getrennt“ – warum? Weil sie, die Qumran-Essener, sich für reiner und besser hielten!

Das „Gesetz“, das den „Gottlosen“ erzürnte, ist die acht Meter lange sogenannte „Tempelrolle“, die zahlreiche Vorschriften und Bestimmungen mit ähnlich rigoroser und rassistischer Schärfe enthalten.

Genau gegen dieses arrogante Elite-Bewußtsein wandte sich Jesus, der dieselbe Haltung auch bei den Pharisäern und Schriftgelehrten brandmarkte, nur mit dem Unterschied, daß bei diesen die Erhabenheit weitgehend auf Arroganz beruhte, wohingegen die Essener tatsächlich streng asketisch und elitär lebten.

Diesen „Lehrer der Gerechtigkeit“ mit Johannes, Jesus oder Jakobus gleichzusetzen ist also absurd, denn Jesus verurteilte ebengerade dieses elitäre Kastenbewußtsein und wäre auch nie Mitglied eine solchen religiös-rassistischen Splittergruppe geworden.

Daß die besagtem Qumran-Texte nichts mit Jesus zu tun haben, geht noch deutlicher aus dem folgenden Qumran-Schriftstück hervor, der von Eisenmann jedoch ebenfalls auf die Urchristen bezogen wird: „… der gottlose Priester, der den Lehrer der Gerechtigkeit verfolgte, um ihn zu verschlingen in dem Zorn seines Grimms. Am Ort seines Exils und zur Zeit des Festes der Ruhe des Versöhnungstages erschien er bei ihnen, um sie zu verschlingen und um sie zu Fall zu bringen am Tage des Fastens, dem Sabbat ihrer Ruhe.“

Die Interpretation der Experten besagt einhellig, daß der illegitime Hohepriester Jonatan von den Essenern als der „Gottlose Priester“ bezeichnet wurde. Dieser hat auch tatsächlich den „Lehrer der Gerechtigkeit“ in seinem Exil in Damaskus aufgesucht, um ihn der Gesetzesübertretung zu überführen und womöglich sogar umzubringen. Dieser Vorfall geschah genau am Versöhnungstag, der ein Fastentag ist. (Dies führte dann zur bereits erwähnten Vergeltung durch Gott, indem der Hohepriester Jonatan den Syrern in die Hände fiel und von ihnen im Jahr 143 v. Chr. umgebracht wurde.)

Eisenmann, der beweisen will, daß sich diese Stelle auf die Zeit der Urchristen bezieht und daß mit dem „Lehrer der Gerechtigkeit“ Jakobus gemeint ist, interpretiert diese Stelle anders: Der „Gottlose Priester“ sei der Hohepriester Ananus (Hannas II.), der Jakobus und andere Urchristen in Jerusalem zu Tode steinigen ließ. Auch Ananus wurde später von den „Heiden“ umgebracht, jedoch von den Römern in den Kriegswirren um Jerusalem 68 n. Chr., im selben Jahr, in dem auch die Qumran-Festung zerstört wurde! Die Tonkrüge wurden aber mit den bereits verfaßten Schriften spätestens im Jahr 68 beim Heranrücken der Römer versteckt. Der zeitliche Ablauf kann nicht stimmen, ebensowenig die Interpretation, denn aus der Originalstelle geht hervor, daß es dem Gottlosen Priester nicht gelungen ist, den Lehrer der Gerechtigkeit umzubringen. Ananus konnte Jakobus jedoch töten lassen.

Eisenmann versucht diese Widersprüche mit übersetzungs technischen Wortspielereien aus dem Weg zu räumen. Das Urteil der Fachkräfte lautet deshalb zurecht: „Der ‚Historiker‘ Eisenmann macht sich einer petitio principii, der Erschleichung des gewünschten Resultats durch falsche Übersetzung schuldig, die er kaltblütig als feinere Bedeutung und bessere Konstruktion deklariert: Wiederum wird der Text nach der [vorgefaßten] Theorie gebogen!“ (5)

Die messianische Prophezeiung von Qumran

Für weiteren Rummel sorgte Prof. Eisenmann (in den Fußstapfen von Dr. Allegro), als er 1991 verkündete, in den Qumran-Schriften gäbe es eine Stelle, die den gewaltsamen Tod des Messias bezeuge. Dies zeige, daß eine direkte Beziehung zwischen den Essenern und den Urchristen bestand, eben weil Jakobus der essenische Lehrer der Gerechtigkeit gewesen sei. Ähnliches hatte bereits Dr. Allegro in seinen Vorträgen 1956 verkündet: In den Qumran-Schriften würden die Kreuzigung des Lehrers, die Abnahme des Leichnams vom Kreuz und die Totenwache beschrieben.

All diese Behauptungen stützen sich auf folgendes Qumran-Fragment, das sich, als Kommentarschrift, auf das bekannte Jesaja-Kapitel 11 bezieht: „der Sproß Davids … und töten Fürst der Gemeinde sie … und durch Wunden … und es befiehlt ein Priester … die Erschlagenen der Kittim …“

Das ist alles! Die Kreuzigung wird in den unvollständigen, zweideutigen Satz „und töten Fürst der Gemeinde sie“ hineininterpretiert. Die grammatikalische Lage erlaubt beide Interpretationen: „Sie töten den Fürsten der Gemeinde“ oder „Der Fürst der Gemeinde wird sie töten.“

Allegro und Eisenmann glauben, in der ersten Variante einen Hinweis auf den Kreuztod Jesu zu finden, denn „Fürst der Gemeinde“ ist ein Ausdruck für den erwarteten Messias. Doch die andere Variante („Der Fürst der Gemeinde wird sie töten.“) ist genauso möglich und entspricht erst noch der Referenzstelle in Jesaja 11: „Und er wird ihn töten“ (Jes. 11,4)!

Diese Stelle ist keine urchristliche Parallelstelle, sondern eine messianische Prophezeiung des siegreichen Messias, wie ihn der Prophet Jesaja in jenem Buch voraussagt, das im Alten Testament zu finden ist. Es ist symptomatisch, wie diese eine Textstelle verwendet wurde, um vorgefaßte Meinungen zu verkünden, was in den Massenmedien natürlich immer ohne die Anführung des Originaltextes geschah, denn diese fragmentarischen Textstellen hätten niemanden beeindruckt und schon gar nicht überzeugt.

Der Hinweis auf Jesaja 11 zeigt auch, wie absurd die Annahme ist, eine militante Bewegung hätte nach der Hinrichtung Jesu weiterhin geglaubt, Jesus sei der Messias gewesen, und hätten wegen Jesus langjährige Streitigkeiten durchgeführt, so wie Baigent & Leigh dies in bezug auf Jakobus und Paulus behaupten. Nein, sie hätten diesen hingerichteten „König der Juden“ schnell vergessen und als falschen Propheten fallengelassen. Jesus hätte über seinen Tod hinaus überhaupt keine Wirkung gehabt, und Paulus hätte ins Leere gepredigt. Doch Jesus blieb trotz der Kreuzigung und der nachfolgenden politischen Wirren eine Person von zentraler Bedeutung, weshalb er unmöglich ein politischer Aktivist gewesen sein kann (denn als solcher wäre er ein völliger Versager gewesen).

Die Schriften von Nag-Hammadi

Im Jahr 1945, kurz vor der Entdeckung der ersten Qumran-Rollen, wurden nahe der nordägyptischen Stadt Nag-Hammadi mehrere Tonkrüge mit uralten Schriften gefunden. Diese stammten tatsächlich aus der urchristlichen Zeit und enthielten lange verschollene Evangelien und Dokumente über Jesus, insbesondere das mittlerweile berühmte Thomas-Evangelium. Als 1977 alle Nag-Hammadi-Schriften in gedruckter Form vorlagen (mit Faksimile und Transkription), waren es insgesamt sechsundvierzig Bände.

Während die Qumran-Rollen aus der Zeit vor Jesu Erscheinen stammen, sind die Nag-Hammadi-Schriften unbestreitbar urchristliche Schriften, denn Jesus wird vielfach namentlich erwähnt und wörtlich zitiert. Wenn also irgendwelche neuentdeckte Schriften für den Vatikan hätten gefährlich werden können, dann wären es die Nag-Hammadi-Schriften gewesen, denn immerhin enthielten sie apokryphe Evangelien und Jesus-Worte. Doch die Herausgabe dieser Schriften wurde nicht verhindert, ebensowenig wie die der Qumran-Rollen. Auch wurden durch sie die bereits bekannten Evangelientexte nicht widerlegt oder als Fälschung entlarvt, sondern bestätigt und ergänzt. Dies wird von Baigent, Leigh & Co., wie nicht anders zu erwarten, geflissentlich unterschlagen.

Die neuentdeckten Nag-Hammadi-Texte wie auch biblischen Evangelien widerlegen die Jesus-Paulus-Spekulationen und die anderen antichristlichen Relativierungen. Ebenso widerlegen sie auch die christlichen Verabsolutierungen, denn sie zeigen Jesus als das, was er war und was er in seinen Selbstzeugnissen auch bestätigte.

2. Teil: Das Mysterium

Wir dagegen sind Bürger des Himmels. Von dorther erwarten wir auch unseren Retter, Jesus Christus, den Herrn. Er wird unseren schwachen, vergänglichen Körper verwandeln, daß er genauso herrlich wird wie der Körper, den er selbst bei seiner Auferstehung hat. Denn er hat die Macht, alles [sogar die Materie unseres physischen Körpers] seiner Herrschaft zu unterstellen“ (Brief an die Philipper 3,20–21).

Die Ausführungen über Jesus, seine Auferstehung und Himmelfahrt beruhen direkt auf den Schriften des Neuen Testamentes. Paulus sagt im erwähnten Zitat, der Körper des Menschen könne „genauso herrlich“ werden wie der Körper Jesu bei seiner Auferstehung. In der Apokalypse wird im Zusammenhang mit den beiden gesandten Zeugen prophezeit, diese würden ebenfalls vom Tod auferstehen und physisch in den Himmel aufsteigen (Offb 11,11–12), genauso wie Jesus.

Obwohl diese Erkenntnisse die christlichen (kirchlichen) Absolutheitsansprüche hinfällig machen, passen sie genau zu dem, was Jesus persönlich über sich sowie über seine Schüler und Nachfolger gesagt hat:

„Kein Blinder kann einen Blinden führen, sonst fallen sie beide in die Grube. Kein Schüler steht über seinem Lehrer. Aber wenn er ausgelernt hat, soll er wie sein Meister sein“ (Lk 6,40).

„Ihr habt alle Prüfungen mit mir durchgestanden. Dafür werde ich euch Anteil an der Herrschaft geben, die mein Vater mir übertragen hat. Wenn ich meine Herrschaft angetreten habe, werdet ihr an meinem Tisch essen und trinken …“ (Lk 22,28–30).

„Ich versichere euch: Jeder, der mir vertraut, wird auch die Taten vollbringen, die ich vollbringe. Ja, seine Taten werden meine noch übertreffen, denn ich gehe zum Vater. Dann werde ich alles tun, worum ihr bittet, wenn ihr euch dabei auf mich beruft. So wird durch den Sohn die Herrlichkeit des Vaters sichtbar werden. Wenn ihr euch auf mich beruft, werde ich euch jede Bitte erfüllen [und so wird es euch möglich sein, Taten zu tun, die meine noch übertreffen]“ (Joh 14.12–14).

Nicht verabsolutieren und nicht relativieren

„[Es gibt] sieben Söhne Gottes. Die ganze ins Dasein getretene Welt, außer dem erstgeschaffenen Sohne Gottes, ist nicht eine unmittelbare Schöpfung Gottes wie der erste Sohn, sondern ist durch den erstgeschaffenen Sohn, dem Gott die Schöpferkraft verlieh, ins Leben gerufen.“

– Mediale Erklärung eines hohen Lichtwesens (ca. 1920) (6)

Die angeführten Zitate, die sich gegen die Verabsolutierung Jesu richten, sollen Jesus aber auch nicht fälschlich relativieren. Verabsolutierung bedeutet zu behaupten, Jesus sei Gott und alle, die sich nicht zu Jesus bekehrten, seien verloren. Diejenigen, die dies behaupten, führen als Beweis folgende zwei Jesus-Aussagen an: „Ich und der Vater sind eins“ und „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ (Joh 10,30; 14,6). Jesus sagt jedoch nicht Ich bin der Vater, sondern „Ich und der Vater sind eins“. Das ist ein entscheidender Unterschied, der leider von denjenigen, die fälschlich in Jesu Namen kommen, verkannt wird. Dadurch verwenden sie Jesus als Vorwand für ihre Absolutheits- und Machtansprüche. Das geschieht aufgrund von Ego-Motiven oder sogar aufgrund von Asura-Absicht, um die Menschen vom wahren Verständnis Jesu abzulenken.

Was Jesus mit diesen beiden Aussagen meinte, erläutert er unmißverständlich in jenen Lehren, die in den Kapiteln 12 bis 17 des Johannes-Evangeliums wiedergegeben sind:

„12,44–45: Wer mir vertraut, der vertraut nicht nur mir, sondern dem, der mich gesandt hat. Wer mich sieht, der sieht den, der mich gesandt hat.

12,49: Was ich euch gesagt habe, stammt nicht von mir; der Vater, der mich gesandt hat, hat mir aufgetragen, was ich zu sagen und zu reden habe.

13,13: Ihr nennt mich Lehrer und Herr. Ihr habt recht, das bin ich: Ich bin euer Herr und Lehrer.

14,28: … ich gehe zum Vater, denn er ist mächtiger als ich.

15,1;5: Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weinbauer … und ihr seid die Reben.

17,11: O heiliger Vater, beschütze sie durch deine göttliche Macht, damit sie eins werden, so wie du und ich eins sind.

17,21–21: So wie du in mir bist und ich in dir, Vater, so sollen auch sie in uns eins sein. Dann wird die Welt glauben, daß du mich gesandt hast. Ich habe ihnen dieselbe Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie so untrennbar eins sind wie du und ich.“

Wenn Jesus sagt „Ich und mein Vater sind eins“, sagt er damit eben gerade, daß er nicht der Vater ist. Er ist jedoch eins mit dem Vater, denn er ist ewig und untrennbar mit ihm verbunden, weil er in vollkommener Liebe seinen Willen kundtut: „Denn ich bin aus dem Himmel herabgekommen, nicht damit ich meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat“ (Joh 6,38). Jesus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben und niemand kommt zum Vater außer durch ihn, weil Jesus vom Vater kommt und den Weg zum Vater weist. „Durch mich“ bedeutet: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Weisungen befolgen … Wer meine Weisungen annimmt und sie befolgt, der liebt mich wirklich … Wer mich liebt, der wird sich nach meinem Wort richten; dann wird ihn auch mein Vater lieben, wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (14,15;21;23).

Die Anweisungen, die Jesus bringt, finden sich aber nicht nur in der Bibel! Sie sind in allen Gottesoffenbarungen der Welt zu finden, und in allen Religionen der Welt finden sich echte Gottgeweihte, die diesen Weisungen freiwillig und mit Liebe folgen. Sie gehen vollkommen auf dem Weg, den Jesus weist, obwohl sie dies vielleicht nicht direkt in seinem Namen tun. Jesus sagt hierzu: „Wer meine Weisungen annimmt und sie befolgt, der liebt mich wirklich.“ Es ist also durchaus möglich, dass ein „Heide“ Gott und Jesus mehr liebt als ein sogenannter Christ. Denn nur durch die echte Liebe des Folgens kommt man zum Vater, und auf diesem Weg zum Vater ist der Weg nicht verschieden vom Ziel, und weil Jesus der Weg ist, ist er auch nicht verschieden vom Vater, dem Ziel. Dies geht auch aus der neuen Einheitsübersetzung der besagten Schlüsselstelle hervor: „Ich bin der Weg, der zur Wahrheit und zum Leben führt. Einen anderen Weg zum Vater gibt es nicht. Wenn ihr mich kennt, werdet ihr auch meinen Vater kennen. Schon jetzt kennt ihr ihn und habt ihn gesehen“ (14,6–7).